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Berliner Mietendeckel gekippt – Neue Herausforderungen für die Branche

05.05.2021 | Nachrichten

Lexikon: Mietendeckel

Plötzlich und ohne Vorankündigung

Der 15.April 2021 mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zum Berliner Mietendeckel hat uns wie alle anderen Protagonisten in der Immobilienwirtschaft überrascht und erstaunt – vielleicht ausgenommen der 8 Handelnden der Judikative in Karlsruhe. Nicht so sehr der zu erwartende Inhalt der Entscheidung, die von vielen mit dem Thema Betrauten und nicht nur Schlagzeilen Lesenden so erwartet worden war und in einer bemerkenswerten Klarheit dem Berliner Senat als Gesetzgeber die Schranken seiner Befugnisse aufgezeigt hat.

Vielmehr überraschte uns die schlagartige Ankündigung der Entscheidung am Vortag der Bekanntgabe. Bis dahin gingen wir wie viele aus der Branche von einer Entscheidung im Sommer 2021 aus. Natürlich haben wir uns als pflichtbewusster Softwarehersteller den nächsten Vormittag um 9.30 Uhr freigehalten, um das Urteil in allen Details lesen und verstehen zu können. Offenbar war das Interesse der Öffentlichkeit am genauen Urteilstext enorm, jedenfalls gab der Webserver des Bundesverfassungsgerichtes das 57-seitige Urteil nur mit arger Verzögerung für die interessierte  Leserschaft frei.

Alle Eventualitäten mitdenken

Mit Herstellung der Funktionalitäten zum MietenWoG Bln im ersten (Stichtagsmiete, Benachrichtigungen, Schattenmieten) und zweiten Schritt (Kappung), von denen wir hier bereits berichteten, war uns klar, dass die Software komplett auf die Rückabwicklung der Stammdatenänderungen und die Nachforderung der zu Unrecht zurückbehaltenen Mieten vorbereitet sein sollte. So lagen auch bereits früh Pläne bereit, wie am Tag der Entscheidung der Softwareentwicklungsprozess in Gang gebracht werden sollte. Mehr kann ein Softwarehersteller nicht tun, wenn der genaue Wortlaut der Entscheidung bis zum letzten Tag im Verborgenen bleibt.

Warum ein Urteil für 3 Wochen in der Schublade liegt und mit jedem verstrichenen Tag den zeitlichen Handlungsspielraum der Marktteilnehmer extrem einschränkt, ist vermutlich nur damit zu begründen, dass den Verantwortlichen die Prozesse und Abläufe in der Immobilienverwaltung nicht geläufig sind und in Unkenntnis gehandelt wurde, dass das Herstellen und Anpassen einer Software eine entsprechende Vorlaufzeit benötigt. Um den haussoft-Anwendern ein bequemes Polster bis zur Sollstellung der Mieten am 01. Mai 2021 mitzugeben, wäre eine entsprechende Softwareversion zum 26.April 2021 wünschenswert gewesen. Das sind effektiv 7 Werktage.

Ein Softwarehersteller kann, wenn das Produkt eine entsprechende Größe und Funktionalität hat, und selbst wenn er alle Vorbereitungen in der Schublade hat, nicht innerhalb dieser Frist die Anforderungen exakt definieren, die Entwicklung mit mehreren 1.000 Zeilen Programmcode umsetzen, eine umfangreiche Qualitätssicherung durchführen, das Produkt auslieferungsfertig herstellen, die Dokumentation anpassen und all diese Bestandteile eines professionellen Produktes bereitstellen.

Arbeiten unter Hochdruck

Positiv betrachtet hatten wir dafür immerhin 6 Werktage mehr Zeit als bei Einführung des Gesetzes, dessen Veröffentlichung am 22. Februar 2021 mit Wirkung auf die Sollstellung zum 01. März 2020 einer Provokation der Berliner Immobilienwirtschaft und aller in ihr verwaltend Beschäftigten gleichkam. Das Gericht hätte uns und dem Anwender durch zeitnahe Veröffentlichung am Monatsanfang den dringend benötigten Spielraum geben können, genauso wie es der Gesetzgeber im Februar 2020 hätte tun können. Es hat es nicht getan und es ist fast ein Ding der Unmöglichkeit, in dieser kurzen Zeit eine Lösung zu offerieren. Wir lieferten am 29. April 2021 um 22:00 Uhr.

Und diese Lieferung war schon stark erwartet worden. Binnen kürzester Zeit ist die Software noch in der Nacht heruntergeladen und installiert worden. Mit dieser Version bekam der Kunde von uns die Möglichkeit, die eingefrorenen Mieterhöhungen und die Kappung der Mieten zu invertieren, die Stammdaten für die nächste Sollstellung, auch durch Rückabwicklung des Schattens in Neuverträgen, entsprechend vorzubereiten, die Nachforderungen buchhalterisch zu manifestieren und den Mieter durch ein Anschreiben über all diese Aktionen zu informieren. Ein optional prozentualer Forderungsverzicht, einstellbar pro Eigentümer der Immobilie und ein Ratenzahlungsangebot, wahlweise erst ab einem bestimmten Verhältnis der Nachforderung zur Gesamtmiete aktivierbar, rundeten die Funktionalitäten ab.

Vereinheitlichungen beim Mietspiegel

Zukünftig würden wir uns wünschen, dass derartige Entwicklungen des Rechts besser überlegt wären und einen ausreichenden Vorlauf hätten. Natürlich ist das Urteil zu begrüßen, schon wegen der Wirkung auf die Kontinuität des Rechts und den im Urteil aufgezeigten Grenzen für ideologische Gesetzgebung. Andererseits sind wir als bundesweit agierender Softwarehersteller auch sehr daran interessiert und würden es unterstützen, wenn es ein einheitliches Prozedere für die Erstellung von Mietspiegeln in den Gemeinden geben würde, ohne dass jeder sein eigenes Süppchen kocht. Aus technischer Sicht wäre da eine Schnittstelle zu einem Mietenkataster und ein solches als Begründung für Mieterhöhungen der bessere Weg.

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